Mittwoch, 9. Mai 2018

Safehouse

SAFEHOUSE ist keine Literaturverspielung – was mich aber nicht gehindert hat, anlässlich SAFEHOUSE im Editorial der aktuellen SPIEL DOCH! zu erklären, was Literaturverspielung ist, und zu zeigen, wie es geht. [Dies war eine Werbeeinleitung.]

Wie geht SAFEHOUSE? Wir laufen weg und werden verfolgt. Weil wir im Team spielen, ist „Wir“ nur eine einzige Figur (die hellblaue). Unser Verfolger ist – natürlich – schwarz. Holt er uns ein, haben wir verloren.
Vorwärts geht es, indem wir Aufträge erledigen. Beispielsweise könnte einer besagen, dass wir zwei pinkfarbene und zwei blaue Karten spielen müssen. Zur Belohnung darf unsere Figur dann drei Felder weit ziehen. Allerdings müssen wir die Farbkarten so spielen, dass die Zahlenwerte innerhalb der Folge nicht absteigen. Und wir dürfen beim Kommunizieren über unsere Blätter THE-GAME-mäßig keine konkreten Zahlenwerte nennen.

Der Verfolger rückt vor, wenn wir bestimmte Felder betreten, wenn wir (alle zwei Minuten) die Sanduhr umdrehen müssen und vor allem wenn jemand eine der Verfolgerkarten vom Stapel zieht. Die funktionieren wie Epidemien in PANDEMIE. Man muss sie sofort ausführen: Der Verfolger rückt ein bis drei Felder vor oder so viele, wie Aufträge ausliegen, oder sogar Aufträge-viele plus eins.
Wer am Zug ist, kann Aufträge spielen, an Aufträge anlegen und Karten abwerfen. Am Ende zieht man bis zum Handkartenlimit nach.
Das Spiel spielt originellerweise nicht auf einem handelsüblichen Spielplan, sondern in einem Buch mit dicken Pappseiten. Sind wir am Ende einer Laufskala angekommen, wird umgeblättert. Die hellblaue Figur kommt aufs Startfeld des nächsten Kapitels. Der Bösewicht wird entsprechend seines aktuellen Abstandes hinter uns platziert. Außer der Abstand ist schon recht groß. Dann kommt der Bösewicht auf sein – ich nenne es mal – Mindest-Startfeld und hat durch das Umblättern aufgeholt. Im letzten Kapitel klappt zwischen den Buchseiten ein Pop-up-Gebäude auf, was ein schöner Effekt ist, aber leider nur Show, denn einigen Spielern wird nun die Sicht auf die Figuren versperrt.


Was passiert? Wenn Gruppen SAFEHOUSE verlieren, liegt dies (außer an Pech) üblicherweise an einem dieser Faktoren:
1. Es werden zu viele Karten abgeworfen. Diesen Fehler begehen vor allem weniger geübte Spieler. Sie denken, sie müssten jederzeit passende Werte besitzen, und übersehen, dass durch das häufige Nachziehen auch schneller Karten auftauchen, die den Bösewicht bewegen.
2. Die Gruppe kommuniziert zu wenig. Egal ob Anfänger oder Fortgeschrittene: Immer wieder gibt es Spieler, die auch in Koop-Spielen nicht kooperieren. Ohne Rücksprache legen sie irgendwelche Aufträge aus. Und völlig überraschend zeigt sich dann, dass niemand die Karten besitzt, um diese Aufträge zu erfüllen. Je mehr Aufträge unerledigt rumliegen, desto schneller läuft der Bösewicht.
3. Es wurde umgeblättert. Ja, natürlich, man muss umblättern. Und man will umblättern. Sonst entkommt man nicht. Und so schnell wie möglich durch die Seiten zu hetzten, scheint auch thematisch völlig richtig zu sein. Taktisch ist es dennoch nicht immer richtig, weil ein Riesenvorsprung mitunter auf fünf oder sechs Felder eingedampft wird.
Klar, das stellt auch bei großem Vorsprung die Spannung wieder her. Jedes Umblättern kostet etwas Zeit, ein paar Verwaltungsarbeiten sind erforderlich, und wenn man nun in dieser Situation die Sanduhr drehen muss und rasch eine oder zwei Verfolgerkarten zieht, kann das aus heiterem Himmel das Ende bedeuten.
Kluge Gruppen lassen deshalb kurz vor dem letzten Schritt auf der Skala absichtlich die Sanduhr durchrieseln und werfen ein paar Karten ab, um die nächste Verfolgerkarte noch gefahrlos im aktuellen Kapitel abzuarbeiten. Um die Chancen zu optimieren, wird man in SAFEHOUSE zu antithematischen Spielhandlungen gezwungen.


Was taugt es? SAFEHOUSE kommt in meinen Spielrunden teilweise überragend gut an, vor allem bei Menschen, die weder THE GAME noch PANDEMIE kennen und das Gefühl haben, etwas völlig Neuartiges zu spielen. SAFEHOUSE initiiert lebhafte Diskussionen; die Mischung der beiden Spielkonzepte ist stimmig, sehr spannend und sogar für geübte Spieler herausfordernd. Wer durch den Namen Fitzek angelockt wird, gerät zwar an einen überraschend schwierigen, aber sehr würdigen Vertreter dessen, was Spiele können.
Allerdings finde ich, dass SAFEHOUSE die Spieler etwas an der Nase herumführt und künstlich Komplexität erzeugt, indem es allen Fluchtgewohnheiten zum Trotz gelegentliches Trödeln honoriert.
Auch vom Material bin ich nicht komplett überzeugt: Die Seite mit dem Safehouse klappt (auch in der zweiten Auflage) von alleine wieder zu. Und die Chips, die ab der zweiten Schwierigkeitsstufe zum Einsatz kommen, zeigen, dass der Grafiker nicht genügend gebrieft wurde, worauf es in Spielen ankommt: Klarheit und Funktionalität. Die Chips sollen während der Flucht nach bestimmten Regeln angeordnet werden. Sehr viel Zeit und Nerven gehen allerdings schon dabei drauf, die kleinen Bildchen überhaupt voneinander zu unterscheiden.


**** solide

SEBASTIAN FITZEK. SAFEHOUSE von Marco Teubner für zwei bis vier Spieler, moses.

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