Mittwoch, 25. Januar 2017

Vor 20 Jahren (36): Titan

Man sollte meinen, Studenten vor 20 Jahren hatten sehr viel Zeit. Stimmt aber nicht. Und weil die Studenten in meiner hannoverschen Spielerunde (psst, genauer gesagt ist es schon fast 22 Jahre her) regelmäßig unregelmäßig eben doch keine Zeit hatten, mussten wir laufend neue Mitspieler rekrutieren. Und so kam um drei Ecken eines Tages ein Lars dazu, der irgend so etwas war wie der Freund einer Kommilitonin eines WG-Mitbewohners eines meiner Mitspieler. Niemand von uns kannte ihn. Wir hatten nur gehört, dass es ihn gibt und dass er gerne spielt.

Jener Lars hatte sozusagen ein Blind Date mit meiner Spielerunde. Beziehungsweise mit mir und dem einzigen Mokel unter den vielbeschäftigten Studenten, der an diesem Abend ebenfalls eine Teilnahme hatte einrichten können. Ich glaube, es dauerte viele Wochen, bis Lars endlich sämtliche Mitglieder der Spielerunde zumindest ein Mal zu Gesicht bekommen hatte. Und das Tollste war: Bald stellte sich heraus, dass natürlich auch Lars überaus vielbeschäftigt war.

Weniger optimistische Menschen würden nun hinterfragen, ob es an ihnen selbst liegt. Ob sie vielleicht stinken, die Spielauswahl blöd ist oder die Bewirtung nicht auf allerhöchstem Niveau. Aber all dies schied in meinem Fall selbstverständlich aus! Diese Studenten setzten damals schlichtweg die falschen Prioritäten.

Ich will mich an dieser Stelle jedoch nicht beschweren, schon gar nicht über Lars. Denn er lud mich eines Tages zu einer Partie seines Lieblingsspiels ein. Es hieß TITAN. Ich kannte es nicht und konnte auch nicht mal eben im Internet nachsehen, was das wohl Schönes sei. Aber ich musste trotzdem nicht lange überlegen. Wenn mich jemand zum Spielen von etwas einlud, das eher nicht nach ACTIVITY klang, war ich natürlich dabei!

Spielplan von TITAN
TITAN mag nicht jeder kennen. Deshalb ein paar Worte dazu. Es ist auch aus heutiger Sicht noch ziemlich cool. Die Spielidee ist von klassischer Schlichtheit und Eleganz: Wir rekrutieren Fantasy-Wesen, bilden daraus Armeen und geben uns gegenseitig auf die Glocke. Es ist ein bisschen wie in GALAXY TRUCKER: Erst baut man liebevoll was auf, dann wird es gnadenlos geschrottet.

Einer der Hauptreize ergibt sich aus der epischen Spielentwicklung. Das stärkste Wesen ist der Colossus. Um den zu bekommen, braucht man zwei Drachen. Um einen Drachen zu bekommen, braucht man zwei Minotauren. Um einen Minotaurus zu bekommen, braucht man zwei Löwen. Um einen Löwen zu bekommen, braucht man zwei Zentauren.
Etliche Nebenzweige der Rekrutierungstabelle lasse ich an dieser Stelle mal weg. Entscheidend ist: Bis zum Colossus führt ein langer Weg. Mit unserer Viererrunde kamen wir an diesem Tag nicht mal annähernd so weit. Sehr akkurat hatte Lars die gesamten Kreaturen-Plättchen zu prächtigen Vorratsstapeln aufgeschichtet, und den Großteil davon konnten wir hinterher wieder unbenutzt in die Schachtel kippen.

Fand ich das Spiel jetzt gut? Nach diesem Ersteindruck war ich mir nicht so sicher. Aber ... ja ... doch ... es hatte was. „Müsste ich noch mal ausprobieren“, gab ich vorsichtig zu Protokoll. Blabla. Schon beim nächsten regulären Spieleabend erblickte Lars die auffallende blassviolette Schachtel in meinem Regal und wusste Bescheid. Oder zumindest in Bruchteilen. Denn gewiss habe ich ihm nicht die volle Wahrheit offenbart. Man will ja nicht für einen Nerd gehalten werden.

Nach 22 Jahren traue ich mich nun. Bitte sehr, hier die volle Wahrheit: Je länger ich der Partie nachfühlte, desto geiler fand ich das Spiel. Ich würde es noch einmal spielen wollen! Ich würde nicht extra zu Lars fahren wollen, um es noch einmal zu spielen! Ich wollte es selber haben! Ich musste es selber haben! Sofort!!!

Gleich am Tag nach meiner ersten unvollendeten TITAN-Partie fuhr ich also schnurstracks in den Spieleladen Am Schwarzen Bär und habe mir ein TITAN zugelegt. Und zwei weitere Tage später reiste ich zu einem Freund nach Nürnberg, und was haben wir dort getan? Wir haben natürlich TITAN gespielt, und gleich am nächsten Tag haben wir noch einmal TITAN gespielt. Und es wurde später und später, und die wesentliche Variation dieses zweiten Tages bestand darin, dass auch noch ein Nachbar dazukam, so dass wir die nächste Partie TITAN dann zu dritt spielten.

Und leckeres Bier gab es auch. Nürnberg habe ich wirklich in sehr guter Erinnerung.

2 Kommentare:

Thygra hat gesagt…

Meine erste Partie Titan war vor ca. 25 Jahren. 4 Leute, niemand hatte es vorher schon mal gespielt. Wir kämpften uns 2 Stunden durch die Regeln, bis wir endlich loslegen konnten. Nach 15 Minuten war eine Spielerin bereits ausgeschieden. Die übrigen 3 Spieler brauchten dann noch knapp 12 Stunden, bis die Partie vorbei war. Die früh ausgeschiedene Spielerin fand den Tag mit 11,5 Stunden als Zuschauerin insgesamt betrachtet nicht so doll ... ;)

Daniel Gaca hat gesagt…

Solche Runden habe ich auch schon des Öfteren erlebt. Wanen trotzdem immer ein Highlight für uns und so bleibt Titan (insbesondere in der neuen Auflage von Valley Games) immer noch einer meiner absoluten Favoriten. Wir sind auch schon beim RegVor als 3 Ogre/1 Wyvern angetreten. Selbst wenn man außer Acht lässt, dass das Spiel bereits 1980 erschienen ist, kann ich dem Spiel auch heute noch viel abgewinnen.

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