Sonntag, 31. Juli 2016

Gern gespielt im Juli 2016

CODENAMES PICTURES: Berlin war wieder eine Reise wert.

THROUGH THE AGES: Ich find’s tröstlich, dass man mit Charlie Chaplin an der Spitze die führende Weltmacht sein kann.

VIA NEBULA: So viel Nebel ist da gar nicht. Die Space Cowboys haben mal wieder ein superklares Spiel gemacht.

AUTOMANIA: Autos bauen mit allem Drum und Dran? Nicht ganz. Wir warten auf die Schummel-Software-Erweiterung ...

PORTA NIGRA: Es soll ja immer noch Leser geben, die das nicht richtig einordnen: „Solide“ heißt, dass ich es durchaus gern spiele. (Aber dass es wohl leider trotzdem in der Masse untergeht.)

ORLÉANS INVASION: Frei nach Cato dem Älteren: Und ich bin nach wie vor der Meinung, dass sich aus dem Mechanimus noch einiges herausholen lassen wird.



Freitag, 29. Juli 2016

Porta Nigra

Wenn ich mal älter bin (gemeint ist: noch älter als jetzt), strebe ich eine Dozentenstelle für Spielkritik an. Der akademische Nachwuchs muss sich dann stundenlang mein selbstverliebtes Gelaber von der guten, alten Zeit anhören. Als Übung lasse ich Texte schreiben und veröffentliche die besten davon unter meinem Namen.
Mir ist natürlich klar, dass Dozentenstellen und Doktortitel nicht einfach verschenkt werden. Man muss einen wissenschaftlichen Beitrag leisten. Ich werde Axiome zur Spielkritik ersinnen. Das erste habe ich schon. Es lautet: Man kann nicht nicht eine Einleitung schreiben.

Wie geht PORTA NIGRA? Auf den ersten Blick könnte man sagen: Man kennt das alles. Wir kaufen Bausteine in fünf Farben und bauen daraus an vier Orten einfarbige Türme unterschiedlicher Höhe. An jedem Ort gilt bei Spielende eine andere Form der Mehrheitswertung. Preiswerte Steine bringen in den Wertungen weniger Punkte.
Im Detail ist dann aber doch einiges neu. Bin ich am Zug, spiele ich eine meiner Aktionskarten. Sie besagt, dass ich entweder drei der abgebildeten fünf oder zwei der abgebildeten vier Aktionen ausführen darf. Beispielsweise darf ich ein blaues Teil kaufen und einen Turm bauen.
Dazu allerdings muss sich meine Reiterfigur am richtigen Ort befinden, also am Markt für blaue Teile und am gewünschten Bauplatz. Ich darf während meines Zuges herumreiten, aber immer nur im Uhrzeigersinn. Und jeder Schritt kostet Geld.

Was passiert? Da ich nur zwei Aktionskarten zur Auswahl habe, passt selten alles wie gewünscht. Unter den Hut bringen muss ich außerdem noch, dass sechs zufällige ausliegende Aufträge denjenigen belohnen, der als nächster einen roten Turm an Bauplatz A oder einen gelben Turm an Bauplatz B baut.
Und an jedem Bauplatz gibt es außerdem Belohnungen, sobald man ein Vielfaches von drei Steinen dort aufschichtet. Türme aus zwei oder insgesamt fünf Steinen zu bauen, wäre also nicht perfekt. Und weil selten alles perfekt ist, man aber trotzdem versuchen sollte, der Perfektion möglichst nahe zu kommen, befinden wir uns offenbar in einem Optimierspiel.
Und trotz der in Details neuen Regelungen und andersartig verknüpften Verzwicktheiten gilt für das Spielgefühl nun eben doch: Man kennt das alles. Man hat es zwar noch nicht nach diesen Regeln und mit diesem Material gespielt. Aber man hat es schon gespielt. Und mit der Porta Nigra hat PORTA NIGRA auch nichts zu tun, es heißt nur so.

Was taugt es? PORTA NIGRA erweitert ein spielerisch bereits umfassend erschlossenes Genre. Das ist legitim, zumal das Spiel an sich absolut rund läuft (na ja, bis auf die Tatsache, dass zwei Mal die Bauteile knapp nicht ausreichten, um zum letzten Mal den Markt zu befüllen), spannend ist (Schnappt mir wer was weg? Welche Karte ziehe ich nach?) und in seiner Komplexität herausfordernd.
Indem ich Serien aus Auftragskarten bilden und diese Serien weiter aufwerten kann, besitzt PORTA NIGRA ein interessantes strategisches Element, das ich mir allerdings ausgeprägter gewünscht hätte. Die Aufträge legen mir nahe, an sämtlichen Bauwerken mitzuwirken, und die Aktionskarten legen mir nahe, von jeder Farbe Steine zu kaufen. Und so ähneln sich alle Spielweisen am Ende doch.
Manchem mag diese Variation des Grundthemas etwas besser gefallen als andere Variationen, manchem nicht. Das halte ich für Geschmackssache. Ein klares Alleinstellungsmerkmal, um PORTA NIGRA Vergleichbarem vorzuziehen, sehe ich nicht.

PORTA NIGRA von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling für zwei bis vier Spieler, eggertspiele.

Donnerstag, 21. Juli 2016

Happy Birthday

Statt einer Einleitung schreibe ich an dieser Stelle normalerweise eine Begründung, warum ich keine Einleitung schreibe. Aus Zeitgründen muss diesmal sogar die Begründung entfallen.

Wie geht HAPPY BIRTHDAY? Reihum hat ein Spieler „Geburtstag“ und bekommt von den anderen Spielern ein „Geschenk“. Dafür wählt jeder eine (zu dritt: zwei) seiner fünf Bildkarten aus und schiebt sie dem Jubilar verdeckt zu. Der mischt die Gaben, deckt auf, freut sich, wundert oder ärgert sich und kürt das aus seiner Sicht beste und schlechteste Präsent. Deren Absender erhalten je einen Punkt.

Was passiert? Jede Runde bringt die Abwägung: Versuche ich das beste oder das schlechteste Geschenk zu überreichen? Was natürlich von der Kartenauswahl und der beschenkten Person abhängt. In kleinerer Runde passiert es immer wieder, dass jemand nur Schrott bekommt und sich zur Gaudi aller trotzdem entscheiden muss, was er von all dem am liebsten mag.
HAPPY BIRTHDAY lebt vom Witz der Geschenkideen. Hobbit-Schuhe, ABBA-Gartenzwerge und Panzerattrappe sind stets für einen Lacher gut. Jedenfalls beim ersten Mal. Wird HAPPY BIRTHDAY mehrfach in derselben Besetzung gespielt, nutzt es sich ab.
Zwar sind die Fotos großformatiger und von höherer Qualität als in GIFT TRAP, zudem sind Spielregeln und Wertung viel intuitiver, trotzdem bleibt GIFT TRAP auf Dauer das interessantere Spiel. Sein Reiz besteht darin, dass man gezwungen wird, bestimmte Objekte zu verschenken, und sich nun überlegen muss, welche der nach eigenem Empfinden schrecklichen Geschenke andere Spieler eventuell noch akzeptabel oder sogar gut finden könnten. Die Anforderungen in HAPPY BIRTHDAY sind eindimensionaler.

Was taugt es? Das Spielthema Geschenke, das schon in GIFT TRAP toll war, ist in HAPPY BIRTHDAY genauso toll. Nicht Winkelzüge oder Strategien bringen hier Punkte; es geht um etwas rein Subjektives: Was mag jemand? Was mag er nicht? Der persönliche Geschmack entscheidet. Und das Einfühlungsvermögen, den Geschmack zu erahnen oder zu erraten.
Spiele müssen nicht immer weltbewegend sein. Seinen Zweck als nettes Mitbringsel und / oder kleines Spiel für Zwischendurch erfüllt HAPPY BIRTHDAY gut.

HAPPY BIRTHDAY von Brian und Amy Weinstock für drei bis acht Spieler, Kosmos.

Mittwoch, 13. Juli 2016

T.I.M.E Stories

Achtung! Diese Rezension kann SPOILER enthalten! Grund dafür ist, dass ich das Spiel so rezensieren möchte, wie ich es für richtig halte. Und dazu wiederum muss ich schreiben dürfen, was mir wichtig erscheint.

Und: Achtung! Dies war keine Einleitung!

Wie geht T.I.M.E STORIES? Hand hoch, wer kennt Solo-Abenteuerbücher? Darin ist man ein Held und liest Texte wie wie: „Du entdeckst eine verschlossene Truhe. Was tust du? Wenn du nach dem Schlüssel suchen willst, lies weiter bei Abschnitt 64. Wenn du die Truhe mit Gewalt knacken willst, lies weiter bei 217. Wenn du den Raum sofort verlassen willst, lies weiter bei 89.“
So in etwa kann man sich auch T.I.M.E STORIES vorstellen. Mit folgenden Unterschieden: 1. Wir spielen kooperativ. 2. T.I.M.E STORIES ist kein Spiel im Buch, sondern ein Brettspiel mit großformatigen Grafiken, die sehr viel zum Flair beitragen. Was im Buch die verschiedenen Abschnitte leisten, übernimmt hier ein vorsortierter Kartenstapel. 3. Die Meta-Geschichte handelt davon, dass wir Zeitreisende sind. Unsere Abenteuer können also überall und zu jeder Zeit angesiedelt sein.
Das Spiel läuft so ab: Eine Landkarte zeigt sämtliche erreichbare Orte. Die Gruppe entscheidet sich für einen dieser Orte und ist nun dort. Die zugehörigen Ortskarten werden zu einem Panorama aneinander gelegt. Im ersten Raum des ersten Abenteuers sind es: Krankenschwester, Mann am Schachbrett, Frau an Staffelei, Mann auf Sofa, Klavier. Jeder Spieler stellt seine Figur zu einer dieser Karten, darf sich dann deren Rückseite ansehen und den anderen Spielern berichten, was er erfährt.
Manchmal erhält man Informationen oder findet Objekte. Manchmal muss man Fähigkeitsproben ablegen oder wird in Kämpfe verwickelt. Deshalb kann es auch sinnvoll sein, mit mehreren Spielern zur selben Karte zu gehen.
Arbeitsteilung spart allerdings Zeit, und Zeit ist der entscheidende Faktor. Ist der Zeitvorrat aufgebraucht und das Ziel noch nicht erreicht, endet die Partie. Die Gruppe startet von vorn, nun natürlich mit mehr Wissen. Manchmal dürfen auch erworbene Objekte mit in die nächste Partie genommen werden. Und im Regelfall hat man in späteren Partien zu mehr Orten einen direkten Zugang. Was wiederum Zeit spart.

Was passiert? T.I.M.E STORIES kreiert ein im Brettspielbereich neues Spielgefühl: Wir spielen eine Geschichte. Wir sind Teil dieser Geschichte und beeinflussen ihren Ausgang. Wir haben fast keine Vorinformationen. Wir lösen gemeinsam ein Rätsel.
Im Szenario NERVENHEILANSTALT, das der Grundbox beiliegt, ist das Haupträtsel eine Denkaufgabe, ohne deren Lösung die Gruppe nicht weiterkommt (Nebenbei: Nach meinem Empfinden ist die Lösung dieses Rätsels leider unthematisch.). In anderen Szenarien beschränkt sich das Rätselhafte eher darauf, dass man wichtige und unwichtige Informationen filtert und herausfindet, in welcher Reihenfolge Orte durchlaufen werden sollten.
So sehr die Ungewöhnlichkeit des Spielkonzeptes anfangs noch begeistert: Es entwickelt sich eine gewisse Routine, sogar eine gewisse Ermüdung. Zumindest bei mir. Ich hatte bald weniger Lust, immer wieder vorn zu beginnen und Stationen zu durchlaufen, die ich längst schon kannte. T.I.M.E STORIES fühlt sich in dieser Hinsicht ein bisschen so an wie eines dieser Elektronikspiele, bei denen der Erzähler immer dieselben Sprechtexte wiederholt.
Um nicht unnötig oft von vorn zu beginnen, habe ich angefangen, systematisch zu spielen, habe alle Informationen notiert und habe darauf gedrungen, an einem Ort lieber alles abzuklappern, was irgend geht, statt eine Karte ungelesen liegen zu lassen, nur weil sie der Gruppe unbedeutend erscheint. Weil T.I.M.E STORIES ganz offenbar nicht darauf ausgelegt ist, im ersten Anlauf geschafft zu werden, habe ich mir bald keine Mühe mehr gegeben, dies zu erreichen.
T.I.M.E STORIES gibt mir nicht genügend Anreize, um es wirklich so thematisch zu spielen, wie es vielleicht gedacht ist. Ich bin mir deshalb nicht sicher, ob es wirklich die beste Entscheidung war, Zeiteinheiten in T.I.M.E STORIES zur entscheidenden Ressource zu erheben, zumal die Spielregel recht undeutlich ist und Unklarheiten bleiben, ob man für eine Aktion Zeit bezahlen muss oder nicht.

Was taugt es? Ich war auf jedes Szenario in T.I.M.E STORIES gespannt und bin auch weiter gespannt auf kommende. Sich von der Atmosphäre gefangen nehmen lassen, nach Informationen fahnden, gemeinsam ein Rätsel lösen: das sind starke Reize.
Allerdings kam auch jedes Szenario an den Punkt, dass es sich in die Länge zog und ich froh war, es hinter mich zu bringen. Die Szenarien HINTER DER MASKE und DIE DRACHEN-PROPHEZEIUNG habe ich zudem nicht als so dicht und spannend erlebt wie die Vorgänger-Abenteuer NERVENHEILANSTALT und DER MARCY-FALL. Mit steigender Partien-Anzahl sind meine Zweifel am Langzeitreiz des Spielsystems größer geworden. T.I.M.E STORIES braucht Szenarien, die mehr leisten als das, was auch die Solo-Abenteuer in Buchform schon konnten.
Gewünscht hätte ich mir auch einen leichteren Einstieg. Das Spielsystem ist sehr einfach, das Regelheft stiftet trotzdem Verwirrung. Am wenigsten überzeugt mich übrigens die nicht besonders elegante Art der Würfelproben, die auf mich so wirken, als sollten sie vor allem anders sein als herkömmliche Proben.

T.I.M.E STORIES von Manuel Rozoy für zwei bis vier Spieler, Space Cowboys.

Dienstag, 5. Juli 2016

Viticulture – Essential Edition

Meine wenigen verbliebenen Leser dürften sich mittlerweile an fehlende Einleitungen gewöhnt haben. Deshalb muss ich auch gar nicht weiter begründen, warum die Einleitung schon wieder fehlt.

Wie geht VITICULTURE?
Wir stellen Wein her und verkaufen ihn. Das erfordert Arbeitereinsatz. Besonderheiten dabei: 1. Jedes Spieljahr ist zweigeteilt. Zunächst dürfen die Arbeiter nur auf den Sommer-, später die verbliebenen Arbeiter nur auf den Winter-Aktionsfeldern eingesetzt werden. 2. Jeder besitzt einen dicken Onkel, der auf besetzte Felder spazieren darf.
VITICULTURE ist außerdem kartengesteuert. Rebenkarten pflanzt man auf Felder. Durch die Ernte-Aktion bringen sie Trauben, durch Weiterverarbeitung entsteht Wein. Welche Weinsorten ich in welcher Menge gegen wie viele Punkte eintauschen darf, bestimmen meine Auftragskarten. Und Besucherkarten erlauben lukrative Extra-Aktionen.

Was passiert? Die Karten bringen einen erheblichen Glücksanteil ins Spiel. Passen meine Aufträge nicht zu meinen Reben oder passen die Fähigkeiten meiner Besucher nicht zur Spielsituation, muss ich ärgerlicherweise zusätzliche Züge aufs Ziehen von weiteren Karten verwenden. Oder die Karten blockieren meine Hand. In beiden Fällen verliere ich Tempo und blicke neidvoll zum Kollegen Mitspieler, bei dem es perfekt zu flutschen scheint.
Die Karten üben zugleich aber den Hauptreiz in VITICULTURE aus: Ich hoffe, das Passende zu ziehen, um im richtigen Moment die richtige Karte hinblättern zu können. Und ziehe ich nicht das Optimale, versuche ich zumindest, das Bestmögliche herauszuholen und gute Bedingungen für sinnvollen Karteneinsatz zu schaffen.
Auch das Figurenmanagement fordert heraus. Der erste Arbeiter an jedem Ort erhält einen attraktiven Bonus (darf beispielsweise zwei Besucherkarten statt einer ausspielen oder ein Gebäude mit Rabatt bauen). Folglich will ich an vielen Orten der Erste sein. Gleichzeitig darf ich zwingend notwendige Aktionen nicht versäumen. Ist ein Ort komplett belegt und ich bin nicht dabei, kostet mich das viel Zeit.
Und schließlich ist VITICULTURE ein thematisches Spiel. Der Prozess der Weinherstellung wird nachvollziehbar transformiert. Ich wünschte, der Weg von der Rebe zum Verkauf würde noch häufiger durchlaufen werden. Ich habe Partien erlebt, in denen jemand nur zwei Aufträge erledigen musste. 13 oder 14 der erforderlichen 20 Punkte hatte er auf andere Weise gesammelt.
Klar, das ist auch ein Beleg dafür, dass es in VITICULTURE nicht nur den einen Weg gibt. Außerdem sind die unterwegs verdienten Zusatzpunkte durchaus irgendwie thematisch verankert. Beispielsweise muss man Trauben abgeben oder wird dafür belohnt, dass man bestimmte Ausbauten besitzt. Trotzdem fühlt es für mich unstimmig an, wenn man einen Großteil seiner Punkte schon damit gewinnen kann, dass man nur so tut, als würde man Wein herstellen wollen.

Was taugt es? VITICULTURE ist nicht das große Aufbauspiel, für das man es aufgrund seiner äußeren Gestalt halten könnte. Eine disziplinierte Vierer-Runde benötigt keine 90 Minuten für eine Partie.
VITICULTURE ist ein überwiegend taktisches und weniger strategisches Spiel. Man muss letztendlich so spielen, wie es einem die Karten nahe legen. Es gibt deshalb wenig Geheimwissen, und schon der (spielerfahrene) Anfänger überblickt seine Möglichkeiten.
Der Reiz des Kartenmanagements zieht mich in die Partie. Ich spiele gerne mit. Allerdings wird sich VITICULTURE für mich nicht als Dauerbrenner etablieren. Dazu bleibt es zu leichtgewichtig an der Oberfläche.

VITICULTURE – ESSENTIAL EDITION von Jamey Stegmaier, Alan Stone und Morten Monrad Pedersen für einen bis sechs Spieler, Feuerland.