Dienstag, 31. Dezember 2013

Gern gespielt im Dezember 2013

Was landete am häufigsten auf meinem Spieletisch? Was machte besonders viel Spaß? Und welche alten Schätzchen wurden endlich mal wieder ausgepackt?

SAME SAME: Ist es tatsächlich ein Spiel oder doch eher ein Psycho-Test für mehrere Personen? – Ach, egal, solange es unterhält.

CONCORDIA: la, la... Freude schöner Götterpunkte... (oder so ähnlich?)

PROSPERITY: Mathelotto für ein bessere Zukunft.

CAVERNA: Und eines Tages werde ich vielleicht noch herausfinden, was eigentlich „Höhlenbauern“ sind.

DIE GLASSTRASSE: Holla! Ab der ungefähr vierten Partie wusste ich, was ich tue. Wenn ich in dem Zusammenhang bedenke, dass der Verlag das Spiel in seinem Spektrum unten ansiedelt, macht mir das schon Sorgen.

RUSSIAN RAILROADS: Hört bloß nicht auf diesen Adenauer: Experimente bitte!



Dienstag, 24. Dezember 2013

iKnow

TRIVIAL PURSUIT hat tiefe Narben bei mir hinterlassen, indem es mich lehrte, dass ich wohl leider doch nicht so schlau bin, wie ich immer dachte. Und solche Traumata wirken natürlich biografisch nach. Ohne professionelle Hilfe scheint ein unbefangener Umgang mit Quizspielen gar nicht mehr möglich.
Schon Siegmund Freud definierte verschiedene Abwehrmechanismen, obwohl TRIVIAL PURSUIT zu seiner Zeit noch gar nicht erfunden war. Die konsequenteste Reaktion im Freudschen Sinne wäre wohl „Vermeidung“: Kommt ein Quiz auf den Tisch, steht man auf und geht kotzen.
Bei mir ist die Sache allerdings komplexer. Als Spielekritiker muss ich zumindest einen Rest von professioneller Fassade wahren. Also setze ich mich eigentherapeutisch immer wieder mal der Bedrohung Quizspiel aus und hoffe, es tut nicht so weh. Bei FAUNA (oder aktuell FINGER WEG) klappt das sogar.

Wie geht iKNOW? Jede der 1600 Fragen ist zunächst nur sehr grob gestellt, beispielsweise: „Welche TV-Show ist das?“, „Welches Bauwerk ist das?, „Welcher Kampfsport ist das?“ Es folgen drei zunehmend deutlichere Hinweise, die allerdings nur der reihum wechselnde Vorleser kennt. Alle anderen Spieler müssen sich bereits nach der Bekanntgabe der Frage festlegen, ob sie nach einem, zwei oder erst drei Hinweisen antworten wollen. – Wobei „wollen“ die Sache eventuell beschönigt. Die Markierungs-Plätze sind begrenzt, und blockieren meine Mitspieler die Felder für zwei und drei Hinweise, „will“ ich notgedrungen schon nach dem ersten Hinweis antworten. Im Erfolgsfall würde ich dafür auch die meisten Punkte erhalten. Aufgelöst wird die Frage erst, nachdem alle Hinweise vorgelesen wurden und jeder Spieler geantwortet hat.
Früh antworten zu „wollen“ hat noch einen zweiten Vorteil. In Reihenfolge ihrer Mutigkeit geben die Spieler Wetten ab, ob ein bestimmter anderer Spieler die Lösung weiß oder nicht weiß. Beliebt sind Positiv-Wetten auf den Hintersten (er hat die meisten Hinweise bekommen und kann sich zudem an den Antworten seiner Vorderleute orientieren) sowie Negativ-Wetten auf den Vordersten (er ist eine arme Wurst). Eine Wette darf nicht von anderen Spielern kopiert werden.

Was passiert? iKNOW ist ein Quizspiel, bei dem ich tatsächlich ganz gute Gewinn-Chancen habe. Was allerdings eher am Spielsystem liegt und weniger daran, dass ich plötzlich schlau geworden wäre. Die Fragen sind unterschiedlich knifflig (nach meinem Empfinden eher schwer als leicht), und ihr Schwierigkeitsgrad lässt sich anhand der Überschrift kaum einschätzen. Das eine Extrem sind Fragen, die aufgrund ihres Themengebietes superschwer klingen („Welches Modelabel ist das?“) und sich dann ganz locker beantworten lassen, indem man einfach das bekannteste Label nennt, das einem gerade einfällt. Das andere Extrem sind Fragen nach Sportarten, Kinderbuchautoren, Musikfestivals usw., von denen noch niemand am Tisch je gehört hat.
Das reizvoll klingende Prinzip der Selbst- und Fremdeinschätzung kommt deshalb nie richtig zum Tragen. Seine Einschätzungen trifft man auf blassen Dunst.

Was taugt es? iKNOW kombiniert Quiz mit anderen Elementen, und das finde ich löblich. Bei den vorhandenen Fragekarten bringen diese Elemente aber keinen echten Zusatzreiz.
Sich von Fragen und Antworten überraschen zu lassen, erzeugt zwar durchaus Spannung und Unterhaltsamkeit; im Falle von Glückstreffern entsteht sogar ein großes Hallo. Das aber ist ein Reiz von Quizspielen allgemein, nicht speziell von diesem. Bei iKnow greift das, was in der Theorie noch reizvoll klingt, in der Praxis zu selten. Eine weitere Schwachstelle sind mehrere redaktionell nicht gut gemachte Karten mit uneindeutigen Hinweisen oder sprachlichen Patzern.

iKNOW für zwei bis sechs Spieler, Tactic / Asmodee.

Montag, 16. Dezember 2013

Dog Deluxe

Wenn die Luxusausgabe eines Spiels, welches für 18 Euro zu haben ist, gerade mal 26 Euro kosten soll, dann bedeutet das wohl...? Hm, keine Ahnung, woher soll ich das wissen? Hätte ich es gewusst, wäre ich vom Luxusmangel in DOG DELUXE wohl weniger enttäuscht.

Wie geht DOG DELUXE? Wie DOG. (Ja, ja, ja, ich weiß: Die Leserumfrage hat ergeben, ich soll die Regeltexte nicht kürzen. Aber hier gibt es wirklich nichts weiter zu sagen. – Höchstens das noch: Für zwei, drei und fünf Spieler gibt es modifizierte Regeln, die für ein flüssigeres und damit strafferes Spiel sorgen sollen.)

Was passiert? Dasselbe wie in DOG: Die Figuren fallen um und rollen weg. Sie sind nicht komfortabel zu greifen, und vor allem haben einige von ihnen auf ihrer Stellfläche produktionsbedingt einen kleinen Nippel. Sie kippeln auf dem Holzbrett.
Apropos Holzbrett: Holz ist natürlich toll, und weil sich der Plan auf verschiedene Arten zusammenstecken lässt, kann nun jeder mit seiner Lieblingsfarbe spielen (im Spiel zu sechst dann aber nicht zwangsläufig auch mit seinem Lieblingspartner). Wertig wirkt das Holzbrett allerdings nicht. Um die Teile zusammenstecken, muss hier und da Gewalt angewendet werden. Einige Platten sind dunkler, andere heller, das Spielfeld sieht zusammengeflickt aus, so als stammten die Teile aus zwei verschiedenen Spielen.
Zuletzt die Karten: Sie sind im asiatischen Stil dick und schwer mischbar. Manche mögen das, ich nicht so.
Alles in allem wirkt DOG DELUXE, als habe der Verlag nicht das Marktpotenzial gesehen, um tatsächlich eine Luxusausgabe zu publizieren. Und als Kompromiss ist diese Spar-Luxusaufgabe entstanden, die lediglich andeutet, in welche Richtung es bei einer Luxusausgabe gehen könnte.

Was taugt es? Das Spiel selbst ist über jeden Zweifel erhaben. Es ist spannend, unterhaltsam, schön gemein und sollte unbedingt zu viert gespielt werden, weil es durch die Teamkomponente noch emotionaler wird. Gemeinsam freut es sich einfach schöner, wenn eine Figur punktgenau ins Häuschen hüpft oder die Gegner durch unglückliche Umstände an ihrem Ziel vorbeirennen und eine sportliche Extrarunde einlegen dürfen.
DOG DELUXE ist natürlich immer noch besser als überhaupt kein DOG. Es ist außerdem ein Fortschritt gegenüber DOG, und es steht in einem realistischen Verhältnis zu seinem sehr niedrigen Verkaufspreis (die Nippel kann man ja wegfeilen). Aber DOG DELUXE ist eben kein DOG „deluxe“. Mir kommt es vor wie eine vergebene Chance. Von einem Spiel mit solchen Dauerbrennerqualitäten kauft sich mancher vielleicht gern ein zweites, gediegenes Exemplar, das dann für die Ewigkeit gedacht ist. Und genau diesen Zweck erfüllt DOG DELUXE nicht.
Ein passendes Label lässt sich diesmal nicht so leicht finden. Vom reinen Spielwert her „reizvoll“, als Luxusausgabe „misslungen“, als 26-Euro-Ausgabe wiederum nicht „misslungen“.

DOG DELUXE für zwei bis sechs Spieler, Schmidt.

Donnerstag, 12. Dezember 2013

Vor 20 Jahren (12): Das Schwarze Auge

Junge Menschen sind oft orientierungslos und müssen ihren Platz in der Welt erst noch finden. So ist zu erklären, dass mir der Berufswunsch „Brettspiele-Nerd“ in Jugendtagen nicht mit der nötigen Klarheit vor Augen stand und ich mich auch mit vollkommen abseitigen Dingen beschäftigte. Beispielsweise mit Rollenspiel. Wie ich noch zu Schulzeiten angefixt wurde, schilderte ich bereits im 19. Teil von „Als ich noch kein Spieler war“. Hier nun die Fortsetzung.

Die letzte meiner Rollspielrunden hatte bis in Studienzeiten hinein überlebt, allerdings wohnten wir jetzt über ganz Deutschland verstreut, kamen nur an Feiertagen zum Spielen zusammen und konnten demnach nur sehr unregelmäßig in Aventurien nach dem Rechten sehen. Es bedarf keiner großen Phantasie, um sich auszumalen, wie sehr Orks und andere üble Schergen diese Situation für sich ausnutzten.

Obwohl ich aus älteren Tagen noch einen Krieger-Charakter hatte, der gerne mal so richtig aufgeräumt hätte, musste ich normalerweise den Spielleiter mimen, weil die anderen keine Lust auf eine nähere Beschäftigung mit den Regelfeinheiten hatten. Auf Beschäftigung mit den Hintergründen übrigens auch nicht. Die Gruppe spielte nach dem Motto „Was nicht verboten ist, ist erlaubt“. Hauptsache würfeln, labern, Spaß haben. Der Meister hatte den Stress, die verrückte Bande wieder einzufangen und das Gesamtgeschehen in Bahnen zu lenken, die noch halbwegs etwas mit dem SCHWARZEN AUGE zu tun hatten.

Aber einmal bot sich einer an, mich abzulösen. Er hatte ein eigenes Abenteuer geschrieben, und das sollten wir an zwei Tagen zwischen Weihnachten und Silvester durchspielen. Wir bekamen darin den Auftrag, einen auf rätselhafte Weise verschwundenen bärtigen Alten zu suchen. – Hah, kein Problem! In bewährter Manier wurde jeder Stein umgedreht, jede Wand abgeklopft, jeder harmlose Passant als Zeuge vernommen. Wirklich ergiebig war das nicht. Nach stundenlangen Ermittlungen hatten wir gerade mal herausbekommen, dass der Vermisste allerorts für seine Freundlichkeit und Geschenke bekannt war. In seiner Hütte fanden wir mehrere rote Mäntel und Zipfelmützen. Sonst nichts. Und völlig irritierend war: Noch nicht ein einziges Monster zum Verprügeln war aufgetaucht!

Am zweiten Spieltag fanden wir den rotgerobten Alten dann doch irgendwie, insbesondere weil uns der Meister zunehmend direkter zum Ziel schubste. Das Abenteuer war vorbei, aber wir waren immer noch komplett ahnungslos. Unser erschöpfter Spielleiter eröffnete uns, dass die Entführung des Weihnachtsmannes (Ach so! Es ging um die Entführung des Weihnachtsmannes!!!) noch gar nicht das echte Abenteuer sein sollte. Es sei nur als Ouvertüre gedacht gewesen, als kleiner Gag vorab. Nur habe die Gruppe, statt einfach den Spuren zu folgen, ständig neue Nebenschauplätze eröffnet. Und er, der Meister, habe während des Spiels immer mehr Details improvisieren müssen, in die wir uns wiederum total verbissen hätten. Und dann sei das irgendwie aus dem Ruder gelaufen.

Zu dem eigentlichen Abenteuer kamen wir dann nicht mehr. Und wir haben es übrigens bis heute nicht gespielt. Denn was wir damals nicht wussten: Dies war unser letztes DSA-Treffen.
Aber gut, eins kann uns keiner mehr nehmen, und alle, die in diesem Jahr Weihnachten feiern, sollten es wissen: Dass der Weihnachtsmann überhaupt kommt, hat die Welt einzig und allein einem Nivesen, einem Thorwaler, einem Zwerg sowie einer Kriegerin und einem Krieger zu verdanken. Uns!

Teil 11: Lieber bairisch sterben
Teil 13: Can´t Stop

Sonntag, 8. Dezember 2013

Dominion – Die Gilden

Wer bei den kleinen DOMINION-Erweiterungen über zu viel Luft in der Schachtel schimpft, hat lediglich das Konzept nicht begriffen. Der freie Platz hat in etwa dieselbe wichtige Funktion wie in Druckwerken der „Raum für Notizen“: Er dient zur kreativen Ausgestaltung! Tourt jemand beispielsweise mit seinem DOMINION viel durch die Lande, kann er sehr praktisch auch noch die Zahnbürste im Karton unterbringen und spart sich den kompletten Kulturbeutel. – Wirklich traurig, dass so viele Miesepeter diesen tollen Service nicht zu schätzen wissen!

Wie geht DOMINION – DIE GILDEN? Wie DOMINION. (Ja, ich weiß: Die Leserumfrage hat ergeben, ich soll den Regelteil nicht kürzen. Aber hier gibt es wirklich nichts weiter zu sagen.)

Wie bringen DIE GILDEN? Außer den bislang kleinsten je in DOMINION zu sehenden (oder auch nicht zu sehenden) Schriften sind in der Box 25 Münzen und 13 neue Königreichkarten. Die Münzen stehen für das spielerische Thema dieser Erweiterung: Geld ansparen. Fünf der Karten erlauben, Münzen zu nehmen, die in späteren Bezahlphasen wieder abgegeben werden können und dann als Geld mitzählen.

Was passiert? Mit Münzen agiert man etwas flexibler. Man ist nicht mehr darauf angewiesen, ein Deck zu bauen, dass irgendwann unbedingt acht (für die Provinz) bzw. elf Geld (für die Kolonie) auf die Hand bringt. Es reichen nun schon nahezu acht oder nahezu elf. Auch das Ärgernis, immer genau ein Geld zu wenig auf der Hand zu haben, wird elegant entschärft. Wer Münzen einsetzt, kann häufiger Wunschkarten kaufen anstatt nur zu nehmen, was ihm die Situation diktiert.
In der Kaufphase herrscht größere Entscheidungsfreiheit, und das bewirkt ein positives Spielgefühl. DIE GILDEN ist also keine Kaputtmacher-Erweiterung, sie ist konstruktiv. In dieselbe Richtung gehen auch die vier Karten mit Überbezahl-Effekt. Wer für eine dieser Karten zu viel bezahlt, bekommt ein Extra, das umso größer ausfällt, je mehr man zu viel bezahlt. Die Gratiszulage kann bisweilen so attraktiv sein, dass man freiwillig noch Münzen dazulegt, um so viel wie möglich zu viel bezahlt zu haben. Das nenne ich mal wahre Dekadenz. Und auch das sorgt für mehr Entscheidungen beim Einkaufen.

Was taugt’s? Das Box-Thema trägt, ist schnörkellos und prägnant und verursacht kein kompliziertes Handling. DOMINION – DIE GILDEN ist unter den drei kleinen DOMINION-Erweiterungen die beste.
Fast könnte man sagen: ein würdiger Abschluss der DOMINION-Reihe. Da ich aber noch mitten in der Leugnungs-Phase stecke und das bislang propagierte Ende schlichtweg nicht akzeptiere, kommen mir solche Sätze nicht über die Tastatur.

DOMINION – DIE GILDEN von Donald X. Vaccarino für zwei bis vier Spieler, Rio Grande Games.

Dienstag, 3. Dezember 2013

New Boardgame Journalism? – Hier eher nicht.

Auf einschlägigen Spieleseiten ist eine interessante Diskussion entstanden, wie guter Spielejournalismus zu sein oder nicht zu sein habe. Gewünscht werden sowohl attraktivere Darstellungsformen, um unser Hobby besser nach außen zu transportieren, als auch als auch attraktivere Darstellungsformen innerhalb der Szenepublikationen. Zum Stand der Diskussion verweise ich auf trictrac.

Wie steht nun REZENSIONEN FÜR MILLIONEN dazu? Warum es diese Seite überhaupt gibt, was sie leisten kann und was sie nicht leisten kann, hatte ich bereits im Mai 2013 zu meinem fünfjährigen Jubiläum geschrieben.
REZENSIONEN FÜR MILLIONEN ist eine Szenepublikation und wird es auch bleiben (sonst hätte ich den Blogtitel ja auch wesentlich weniger bescheiden gewählt). Und es ist in erster Linie ein Rezensionsblog (was ebenfalls aus dem Titel hervorgeht).
Ich hätte zwar durchaus Lust, auch mehr andere Texte zu schreiben. So ist meine Reihe „Eine Million Interviews“ zahlenmäßig leider irgendwo im Bereich von... äh, unter 1000 stehen geblieben. Und Huhni, Hahni und jetzt auch noch Schorse stellen jeden Tag so viel Unsinn an, dass man allein damit viele Seiten füllen könnte. Ganz zu schweigen von dem Ärger, den ich neuerdings mit dem Verband der Niedersächsischen Jugendhuhnredakteure habe. Da ginge textlich also einiges mehr – wenn ich denn die Zeit dafür hätte. Im Großen und Ganzen bin ich schon froh, wenn ich es schaffe, alle acht Tage eine Rezension online zu stellen.

Bei den Rezensionen selbst kann sich auch nicht allzu viel ändern. Ich möchte hier nicht so schreiben wie in der spielbox. Ich glaube auch nicht, dass im Netz solch lange Texte gefragt wären. Und wenn doch: Einen Artikel wie in der spielbox schreibt man nicht einfach so runter. In jedem Artikel steckt die Zeit mehrfacher Überarbeitungen. Diese Zeit kann ich bei einem Umsonst-Text unmöglich aufbringen. Will ich auch nicht, schließlich würde ich meine Arbeit entwerten, wenn ich dieselbe Leistung an der einen Stelle für Geld und parallel auch kostenlos anbiete.
Die einzige Änderung, die ich mir momentan vorstellen kann, wäre, den Regelteil meiner Blog-Rezensionen noch mehr einzudampfen. Nach meinem Empfinden handle ich die Regeln zwar bereits sehr knapp ab, aber es ginge sicherlich noch knapper. Vielleicht könnten die Regeln sogar komplett entfallen bzw. nur noch erwähnt werden, sofern sie für die Bewertung des Spiels von erheblicher Bedeutung sind. In diese Richtung könnte ich mal experimentieren.

Deshalb folgende Fragen an meine Leser: Kann der Regelteil weg? Liest den jemand? Oder guckt man nur, welche Note unter dem Artikel steht?
Habe ich überhaupt Leser???

Samstag, 30. November 2013

Gern gespielt im November 2013

Was landete am häufigsten auf meinem Spieletisch? Was machte besonders viel Spaß? Und welche alten Schätzchen wurden endlich mal wieder ausgepackt?

FINGER WEG: Ein Mitspieler nannte es abwertend „Russisch Roulette für Nerds“. Und was auch immer das nun über mich aussagt: Ich gehöre zur Zielgruppe!

UGO: Drei Vorzüge auf einmal: 1. ein Stichspiel, 2. mit Pfiff, 3. klingt beinahe so wie „Udo“.

AMERIGO: Viele deutsche Schauspieler träumen davon, in Amerika anzukommen. Stefan Feld zeigt, wie es geht.

FÜNF GURKEN: „Eine Spieleempfehlung von Friedemann Friese.“ – Den Status, um das machen zu können, muss man erst mal haben. Friedemann hat ihn.

ROKOKO: Ein Spiel muss nicht zwangsläufig bemerkenswert originell sein, damit es ein gutes Spiel ist. „Bemerkenswert rund“ ist auch eine Qualität.

RUSSIAN RAILROADS: Selten so viele Theorien über angeblich unschlagbare Strategien gehört. Allesamt auf der Basis einer einzigen Partie, versteht sich.



Freitag, 29. November 2013

Love Letter

Quizfrage: Wie mag sich jemand wohl fühlen, wenn er Woche für Woche Verehrerinnenpost für Huhni aus dem Briefkasten ziehen muss, selber aber bestenfalls Flyer vom Pizza-Bringdienst bekommt oder Mitteilungen der Versicherung über eine anstehende Gebührenerhöhung? Ich verrate es: Er fühlt sich ungerecht behandelt und möchte die Menschheit anschreien: Hey, wacht auf, das mit Huhni ist doch nur Hype...!
Apropos: Da gibt es so ein Spiel mit nur 16 Karten, in dem es ums Überbringen von Liebesbotschaften geht, und wenn man dem verliebten Gesäusel im Internet lauscht, scheinen alle voll darauf abzufahren.

Oh, wie heißt das Spiel und wie geht es? Das Spiel heißt LOVE LETTER. Und es hat nur 16 Karten mit Werten von eins bis acht. Das Ziel lautet zunächst, nicht vorzeitig auszuscheiden. Rundengewinner ist dann, wer die höchste Karte besitzt, nachdem der Kartenstapel aufgebraucht ist. Er bekommt als Gunstbezeugung der Prinzessin ein rotes Herz, und wer (abhängig von der Spielerzahl) drei, vier oder fünf Herzen hat, gewinnt.
Jeder hat eine Karte, eine wird zu Rundenbeginn ungesehen beiseite gelegt. Wer dran ist, zieht eine weitere Karte und spielt eine aus. Fast immer hat das einen Effekt. Der schlechteste betrifft die Prinzessin (Wert 8). Wer sie spielt, scheidet aus. Weshalb das Fachmagazin REZENSIONEN FÜR MILLIONEN seinen Lesern exklusiv empfiehlt: Spielt sie nicht! Der blöde Prinz (5) allerdings kann ein Ausspiel erzwingen.
Zum Eliminieren von Mitspielern eignet sich ebenso die Wächterin (1). Sie versucht, die Handkarte eines Gegners zu erraten. Falls Treffer, dann versenkt. Der Baron (3) veranlasst einen Handkartenvergleich. Die höhere schlägt die niedrigere. Weil die Verliererkarte offen abgeworfen wird, verrät der Gewinner den Verbleibenden dummerweise etwas über sein Blatt. Zweischneidigkeit hat in LOVE LETTER System: Niedrige Karten eignen sich zur Attacke, hohe sind angreifbar, also eigentlich gar nicht so toll – aber am Schluss will man sie eben übrig behalten. Aus diesem Widerspruch entspringt der Spielreiz.

Was passiert? Das hängt von der Mitspielerzahl ab. Wird im Spiel zu viert niemand eliminiert, ist jeder Spieler nur zwei bis drei Mal an der Reihe. Einfluss hat man da nicht wirklich. Im Spiel zu dritt habe ich mehr das Gefühl, ein bisschen was zu steuern. Natürlich ist das Kartenglück weiterhin wesentlich, aber jetzt erhalten die Spielrunden eine kleine Dramaturgie. Mit wachsender Erfahrung rät man mit der Wächterin nicht bloß blind herum, sondern kann aus dem Verhalten der Mitspieler bestimmte Dinge erahnen. Es entsteht auch ein besseres Gespür für den richtigen Zeitpunkt, um eine Karte auszuspielen.
... falls man die Wahl hat. Denn oft genug diktiert aber die Situation, was zu tun ist. Habe ich die Prinzessin, spiele ich ohne große Strategie die andere Karte. Habe ich zwei gleiche Karten, muss ich (außer aus Gründen des Bluffs) wohl auch nicht lange überlegen. Mitunter ist man sogar zu Dingen gezwungen, die klar zum eigenen Nachteil sind.

Was taugt es? Mit seinen nur 16 Karten ist LOVE LETTER zweifellos originell. Der Minimalismus macht LOVE LETTER zu etwas Besonderem – allerdings sollte man auch nicht zu viel erwarten. LOVE LETTER ist ein Auftakt-, Absacker- oder Füllerspiel. Es ist Fun. Jenseits des Offensichtlichen (Karten mitzählen, nicht die Prinzessin spielen etc.) sind die Einflussmöglichkeiten eher klein und subtil.
Die Mischung aus Zufall, Überraschung und Steuerbarkeit gefällt mir im Dreierspiel am besten. Zu viert ist es mir oft zu sehr reine Fingerübung. Zu zweit vermisse ich zwar das Korrektiv eines weiteren Mitspielers, das Spielgefühl ähnelt aber dem Spiel zu dritt.
Weil auf jeder Karte ihr Effekt aufgedruckt ist, kann ohne lange Erklärung losgespielt werden. Die tolle Aufmachung mit den sehr dicken, extragroßen Karten und den roten Herzen aus Holz holt das Maximum an Spielkomfort heraus.

LOVE LETTER von Seiji Kanai für zwei bis vier Spieler, Pegasus Spiele.

Donnerstag, 21. November 2013

Russian Railroads

Laletik – Enkel – bajonettieren – Schleuderbrett – monochrom. Eine beliebte Kreativmethode besteht darin, fünf Mal mit dem Finger ins Wörterbuch zu tippen und aus den zufällig ermittelten Begriffen einen tollen Text zu zaubern. Meine Meinung: Es ist echt erbärmlich, wenn einem für Einleitungen nichts anderes mehr einfällt.
Noch erbärmlicher ist es übrigens nur, wenn einem nicht einmal mit den Begriffen etwas einfällt. Ähm... und nun zum Wetter.

Wie geht RUSSIAN RAILROADS? Eisenbahn abstrakt: Wir bauen an drei Strecken, jeder auf seinem eigenen Tableau. Zuerst mit schwarzen Gleisen, dann grau, dann braun, dann beige, dann weiß. Je höherwertiger die Farbe, desto mehr Punkte zählt die Route. Punkte gibt es allerdings nur auf jenen Streckenabschnitten, die innerhalb der Reichweite der eingesetzten Lok liegen.
Zusätzlich kann ein Marker auf einer Industrieskala vorangetrieben werden. Die ist an fünf Stellen unterbrochen, und dort müssen Fabriken gebaut werden, damit es weitergeht. Sobald der Industriemarker das Fabrikfeld betritt, schaltet er eine Belohnung frei. Und auch auf den Eisenbahnstrecken werden diverse Dinge freigeschaltet. Höherwertige Gleissorten, zusätzliche Arbeiterfiguren, Bonusplättchen und Extrapunkte gibt es immer dann, wenn Gleise plus eventuell auch Loks bestimmte Ziele erreichen.
Der Kernmechanismus ist Arbeitereinsatz. Zu viert startet jeder mit fünf Figuren, und es gibt schlappe 26 Möglichkeiten, sie zu platzieren. Stärkere Felder erfordern mehrere Arbeiter. Man setzt ein, um Loks und / oder Fabriken zu bauen, mit dem Industriemarker oder bestimmten Gleisfarben voranzuschreiten, die Spielerreihenfolge zu verändern, Leiharbeiter zu gewinnen, Verdoppler zu kaufen (sie machen die Strecke wertvoller) oder einen Ingenieur anzuheuern. Erworbene Ingenieure fungieren wie ein zusätzliches, privates Einsetzfeld. Außerdem gibt es bei Spielende für die Ingenieursmehrheit einen fetten Bonus.
Dass von 14 möglichen immer nur sieben Ingenieure ins Spiel kommen und dazu noch in unterschiedlicher Reihenfolge, ist in RUSSIAN RAILROADS die wesentliche Variation. Zudem spielen nur acht von zehn Siegpunktkarten mit; ansonsten ist die Ausgangslage immer gleich.

Was passiert? In der ersten Partie ist man von den Möglichkeiten noch erschlagen, und bei der Wertung am Rundenende überlässt man das Ausrechnen der Punktezahl („Äh, wie ging das noch?“) gerne einem Fachmann.
Trotzdem entwickelt jeder bald so etwas wie einen Plan. Ob dieser Plan bereits taugt, sei dahingestellt. Wichtig ist: Man geht mit Vorsätzen in die nächste Partie. Dass man dies bereits kann, liegt an der besonderen Klarheit von RUSSIAN RAILROADS. Das Spiel zeigt Möglichkeiten deutlich auf. Zum Beispiel: Die Strecke Moskau – Wladiwostok mit weißen Gleisen und Verdopplern veredeln. Oder: Zwei Industriemarker durch den Parcours schleusen. Oder: Alle vier Bonusplättchen aktivieren.
Während der Partie ergeben sich zudem zahlreiche taktische Optimierungsfragen: Nutze ich Bonusplättchen als Entwicklungsbeschleuniger oder als Punktebringer? Lohnt es sich noch, den letzten Arbeiter freizuschalten? Hole ich mir auf jeden Fall eine Lok oder sitze ich die Sache aus, bis das nächsthöhere Loklevel verfügbar ist?
Und schließlich fängt man an zu spielen: Hm, welche Strecken lassen sich denn sinnvoll kombinieren? Kriege ich es hin, die Industrie nicht nur irgendwie zu entwickeln, sondern unterwegs auch besonders lukrative Fabriken einzubauen? Geht es auch mal komplett ohne Ingenieure? Wie schnell könnte ich eigentlich sämtliche Arbeiter kriegen? Und so weiter.

Was taugt es? RUSSIAN RAILROADS ist ein herausforderndes Experimentierfeld. Der eigene Highscore dient als Vergleich, ob der Versuch geglückt ist oder nicht. Obwohl jeder sein eigenes Tableau entwickelt, ist das Spiel nicht solitär. Wie bei anderen Arbeiter-Einsetz-Spielen auch gibt es viele attraktive Platzierungsfelder, und weil die Mitspieler dummerweise auch was vom Kuchen abhaben wollen, wägt man die Prioritäten ab und fiebert mit, dass bestimmte Aktionen noch bis zum nächsten Zug frei bleiben. Dieses Mitfiebern empfinde ich bei RUSSIAN RAILROADS als besonders ausgeprägt. Vermutlich liegt auch dies an der Klarheit des Spiels. Es ist kein wischiwaschi und mehr oder weniger egal, ob ich eine Aktion kriege oder nicht oder irgendwann später. Sondern: Ich habe einen Plan, und den verfolge ich.
Trotz ähnlicher Ausgangslage verlaufen die Partien unterschiedlich. Vieles hängt vom Verhalten der Mitspieler ab. Ob die hochwertigsten Loks und Fabriken überhaupt ins Spiel kommen, ist ungewiss. Und jede noch so tolle Strategie scheitert, wenn zu viele Spieler dasselbe versuchen und sich um die entsprechenden Einsetzfelder balgen.
Eins noch, und nicht das Unwichtigste: Weil immer mehr Spiele im Kenner- und Freakbereich erscheinen, muss ich tendenziell immer mehr komplexe Anleitungen lesen, und ziemlich oft ist das eine Quälerei – gerade in meinem Alter. Die Anleitung von RUSSIAN RAILROADS ist dagegen pures Gold. Alles verständlich, übersichtlich, sehr ausführlich und in der richtigen Reihenfolge. Auch die Grafik ist klar und durchdacht. Redaktionell wurde hier vorbildlich gearbeitet. So sollen Spiele sein.

RUSSIAN RAILROADS von Helmut Ohley und Leonhard Orgler für zwei bis vier Spieler, Hans im Glück.

Erweiterung: GERMAN RAILROADS

Donnerstag, 14. November 2013

Kashgar

Auf DOMINION folgten zahlreiche Spiele, die so waren wie DOMINION – nur leider nicht ganz so gut. Einige sind wieder verschwunden; die Welt drehte sich trotzdem weiter. Auch die Spieleerfinder-Welt. Jetzt erleben wir offenbar die zweite Nach-DOMINION-Welle. In zum Beispiel ROKOKO, CONCORDIA und eben auch KASHGAR, die im sonstigen Ablauf wenig mit DOMINION gemeinsam haben, starten die Spieler mit demselben Karten-Set und erwerben im Laufe des Spiels individuell Karten hinzu. Diese Grundidee finde ich nach wie vor so stark, dass ich schnell angefixt bin. Bei KASHGAR ließ der anfängliche Reiz allerdings nach.

Wie geht KASHGAR? Früher hieß es noch: Andere Länder, andere Sitten. Heute ist es selbst auf der fernen Seidenstraße so wie überall. Ist das jetzt Globalisierungskritik? Nein, allenfalls Siegpunktisierungskritik. 25 Siegpunkte oder mehr sind in KASHGAR das Ziel. Punkte zählen vor allem erledigte Aufträge, in geringerem Maße auch manche Personenkarten im Deck.
Jeder Spieler führt drei „Karawanen“, hierzulande auch unter dem Begriff „Kartenreihen“ bekannt. Wer am Zug ist, sortiert die vorderste Karte einer der drei Karawanen hinten ein und nutzt ihre Funktion. Die „Marktfrau“ beispielsweise erhöht den Bestand aller Gewürze um eins, die „Gönnerin“ erhöht pro Karte in ihrer Karawane die Zahl der Esel oder ein beliebiges Gewürz um eins, zahlt dafür aber ein Gold.
Einige Personen dürfen Aufträge erfüllen. Ein Auftrag für fünf Punkte lautet etwa: Gebe ein Ingwer, drei Nelken, zwei Pfeffer, ein Stern-Anis und zwei Zimt ab. Und außerdem musst du fünf Esel besitzen, sonst darfst du das gar nicht – ätsch!
In jeder der drei Karawanen befindet sich zu Spielbeginn ein „Patriarch“. Seine Funktion: Zwei Karten vom Stapel ziehen, eine behalten und hinten einreihen. Verzichtet ein „Patriarch“ auf seine Aktion, wird er vorübergehend zur „Matriarchin“. Sie rekrutiert gezielter, indem sie dazu den Ablagestapel durchsucht.

Was passiert? Man spielt erst mal frisch drauflos, holt sich irgendwelche Karten, macht hier, macht da, und alles fühlt sich toll an, weil es sich ja bestimmt noch optimieren lässt und weil die zwölf optionalen Zusatzkarten „Hauen und Stechen“ weitere Finessen versprechen. So viele Finessen finden sich dann aber gar nicht.
Eine beliebte Methode (wenn auch kein Allheilmittel) ist, eine Karawane soweit zu entsorgen, dass nur ein Auftragerlediger übrig bleibt. Dieser ist als vorderste Karte dann immer sofort zur Hand.
Die Alternative zu „viele und teure Aufträge erfüllen“ ist das Sammeln von „Bauern“. Sie zählen einen Punkt pro Getreidefeld-Auftrag. Ob das chancenreich ist, hängt sehr davon ab, wie viele Bauern ins Spiel kommen und wie schnell. Auf Bauern zu spielen, ist eine Entscheidung, die sich aus der Situation heraus ergibt – so wie KASHGAR generell ein rein taktisch geprägtes Spiel ist. Da der „Patriarch“ immer nur die Wahl zwischen zwei Karten zulässt, muss man im Großen und Ganzen damit leben, was sich ergibt.
Etwas mehr Planungssicherheit besteht, sobald die Karawanen halbwegs stehen. Jetzt kann ich berechnen, in welcher Reihenfolge ich meine Karten aktivieren muss, um einen angepeilten Auftrag zu erfüllen. Trotzdem bleibt es weiterhin Glückssache, ob überhaupt passende Aufträge ins Angebot rutschen. Um auf Unpassendes zu reagieren, ist das System in KASHGAR zu behäbig. Für große Umstellungen fehlt die Zeit.

Was taugt es? KASHGAR ist ein Spiel, das man auch zu viert in weniger als einer Stunde runterzocken kann. Für diese Spieldauer passt auch der Einfluss. Der Reiz besteht darin, mal diese und mal jene Karte auszuprobieren. Das Spiel wirkt allerdings gedeckelt, so als hätte es ganz bewusst kein Freakspiel werden sollen. Der äußerst reizvolle Grundmechanismus hätte sicher noch komplexere Wechselwirkungen und strategischere Entscheidungen zugelassen. So wirkt KASHGAR auf mich etwas fleischlos.
KASHGAR fühlt sich außerdem solitär an. Ganz wenige Karten nehmen Einfluss auf die Mitspieler. Überwiegend begegnet man sich nur beim Erfüllen von Aufträgen, indem vielleicht der eine sich ausgerechnet das schnappt, was auch der andere haben wollte. Da dies oft unabsichtlich geschieht, würde ich es nur bedingt als „Interaktion“ bezeichnen.

KASHGAR von Gerhard Hecht für zwei bis vier Spieler, Kosmos.

Sonntag, 10. November 2013

Vor 20 Jahren (11): Lieber bairisch sterben

In der spielbox 3/1989 wurde LIEBER BAIRISCH STERBEN besprochen, und der Rezensent Uwe Petersen war zu meinem völligen Erstaunen gar nicht so begeistert von dem Spiel, wie man es meiner Meinung nach hätte sein müssen. „Verhalten positiv bis verhalten negativ“ sei die Resonanz in seinem Spieltreff gewesen. Insbesondere „negativ“ konnte ich überhaupt nicht verstehen. LIEBER BAIRISCH STERBEN war doch so wunderbar komplex!

Komplex war nämlich gleichbedeutend mit gut. Ich war Ende der 80er Jahre dabei, die große weite Spielewelt jenseits der Schachteln mit dem blauen Dreieck zu erkunden und alles, was auffallend anders war als das, was ich kannte, zog mich besonders an. LIEBER BAIRISCH STERBEN hatte ich gemeinsam mit meinem damals besten Spielefreund im Laden am Schwarzen Bären entdeckt, und es war schnell klar, dass man das haben musste: viel Kram, lange Regeln, eine interessant wirkende Landkarte als Spielplan, dazu der Charme des Selbstgemachten und ein vom Cover grinsender Recke mit Che Guevara-Mütze und Zahnlücke. Super!

LIEBER BAIRISCH STERBEN hielt, was wir uns davon versprochen hatten: Es dauerte lange, war gerade noch so eben verständlich, und vor allem war es freakiger als alles Bisherige. Ich erinnere mich noch grob an einige schwer zugängliche Regelfeinheiten, die niemand, dem man das Spiel neu erklärte, auf Anhieb begriff. (Oder jemals.) Aber das störte nicht. Ich war sehr geduldig, wenn es darum ging, immer wieder anderen Menschen LIEBER BAIRISCH STERBEN näherzubringen. Und natürlich gewannen immer entweder mein Kumpel oder ich.

Was mir hätte auffallen können, aber lange Zeit nicht aufgefallen ist: Die neu angelernten Mitspieler lobten LIEBER BAIRISCH STERBEN als ganz interessant und sagten, das müsse man demnächst mal wieder spielen, um es endgültig zu durchdringen. Zustande gekommen sind diese vagen Verabredungen aber nie. Und erst etliche Partien und verschlissene Novizen später war ein Mitspieler mal ehrlich und konfrontierte uns glühende Fans mit der Aussage, dass ihm dieses Spiel in seiner Kompliziertheit überhaupt keinen Spaß mache. Wenn wir nächstes Mal nicht DOPPELKOPF spielten, sei er raus.

Gut. Er war also raus. Zwar spielten wir meiner Erinnerung zufolge nach diesem Tag tatsächlich nie wieder LIEBER BAIRISCH STERBEN, aber das lag eher daran, dass ich inzwischen DIE MACHER kennen gelernt hatte, und das war ja noch viel toller. Also mussten jetzt alle mit mir DIE MACHER spielen, und ich war sehr geduldig, wenn es darum ging, immer wieder anderen Menschen die Regeln näherzubringen. Und gewonnen haben natürlich mein Kumpel oder ich.

Teil 10: Maeatro
Teil 12: Das Schwarze Auge

Mittwoch, 6. November 2013

Sanssouci

Nach der Messe ist vor der Messe. Deswegen der Hinweis auf eine Messevorschau. Die der Pöppelhelden hatte sich mit Autoren und Verlagen aus dem Bremer Raum beschäftigt und gefiel mir besonders gut. Hier ist der Teil über Michael Kiesling. SANSSOUCI kommt natürlich auch vor.

Apropos SANSSOUCI...
Wie geht eigentlich das Spiel?
Jeder hat einen neun mal fünf Felder messenden Garten, in dem zu Spielbeginn noch nicht allzu viel los ist. 18 Spielrunden lang legt man jeweils ein Teil an. Der Garten blüht dann zwar noch immer nicht vollständig, aber das ist auch gar nicht der Plan. Vielmehr besitzt jeder Spieler für jede der neun Gartenspalten eine Adeligenfigur, die in eine möglichst tiefe Zeile laufen soll. Das tut sie nur über gebaute Gartenplättchen. Plättchen lege ich also, um meinen Figuren einen Weg zu bahnen. Eine Figur darf unterwegs ihre Spalte verlassen. Am Ende der Bewegung muss sie aber wieder dort angekommen sein. Sie zählt entsprechend der erreichten Zeile sofort Punkte. Jeder Zug besteht darin, erst ein Plättchen zu legen und danach per Adligenspaziergang zu punkten.
Das offene Angebot umfasst immer zehn Plättchen. Die Stelle, wo sie im eigenen Garten platziert werden müssen, ist exakt vorgegeben: Die Illustration bestimmt die Spalte, eine Farbcodierung die Zeile. Nur wenn der vorgesehen Ort besetzt sein sollte, darf abweichend gelegt werden.
Um ein Plättchen nehmen zu dürfen, spielt man eine seiner beiden Handkarten. Im Falle einer Doppelfarbkarte muss ein Plättchen mit einer der beiden Farben genommen werden; im Falle einer Symbolkarte ein Plättchen mit dem entsprechenden Symbol. Nur wenn kein entsprechendes da sein sollte, herrscht Wahlfreiheit.

Was passiert? Aus den Nehm- und Legeregeln ergeben sich ziemliche Einschränkungen. Also will man die Zwänge möglichst oft umgehen – wobei natürlich die Karten mitspielen müssen. Ziehe ich beispielsweise eine Brunnenkarte nach und es liegen aktuell keine Brunnenplättchen aus, hoffe ich sehr, dieser Zustand möge bis zu meinem nächsten Zug anhalten.
Bin ich an der Reihe, überprüfe ich, welche Möglichkeiten mir meine Handkarten bieten, und manchmal ist die beste Wahl ziemlich offensichtlich. Ansonsten wäge ich eine eher konservative oder spekulative Bauweise ab. Oder ich verbrauche einfach diejenige meiner beiden Karten, die mir langfristig schwächer erscheint.
Auch die Adeligenbewegung ergibt sich bisweilen wie von selbst. Wenn auch nicht jedes Mal: Ziehe ich, sobald ich es kann, direkt in Zeile 4 und kassiere vier Punkte, oder mache ich für drei Punkte erst mal einen Zwischenstopp in Zeile 3? Das könnte ein Tempoverlust sein. Aber vielleicht komme ich zwischenzeitlich nirgends mehr vorwärts und wäre dann froh, noch eine passable Zugmöglichkeit in petto zu haben.

Was taugt es? Mich hat erstaunt, wie schwer sich manche Spieler mit den Nehm- und Legeregeln taten. Oft wurde automatisch geschlussfolgert: „Wenn ich beim Nehmen freie Auswahl habe, darf ich das Teil an beliebiger Stelle einbauen.“ Dem ist aber nicht so! SANSSOUCI spielt sich kniffliger, als es den Anschein hat. Schwierigkeiten machte teilweise auch die Grafik. Die Idee, jedes Gartenelement auf jedem Plättchen unterschiedlich zu gestalten, geht zu Lasten schneller Erkennbarkeit.
In manchen Partien zeichnet sich der Sieger früh ab: Jemand konstruiert mit Glück und Geschick rasch eine mittige Verbindung von ganz oben bis ganz unten und zieht über diese Linie nach und nach immer mehr Figuren in lukrative Zeilen. Im Regelfall verläuft SANSSOUCI aber spannend und man fiebert mit, ob die eine entscheidende Verbindung noch gelingt, ob bitte mal jemand die störende Statue aus der Auslage nimmt oder ob vielleicht endlich etwas Passendes für die violette Zeile ins Angebot rutscht.
SANSSOUCI reizt zu Wiederholungspartien. Man hofft, den Garten beim nächsten Mal besser hinzukriegen; und trotz aller Zufälle, die da mitspielen, lässt sich taktisch etwas herausholen. SANSSOUCI ist ein interessantes, gut funktionierendes Legespiel mit klarer Eigenständigkeit und stabilem Spannungsbogen. Unter den Familienspielern richtet es sich an die Taktikerfraktion. Interaktion besteht kaum.

SANSSOUCI von Michael Kiesling für zwei bis vier Spieler, Ravensburger.

Dienstag, 5. November 2013

Huhni-Pressespiegel (Update!)

Huhni kommt in folgenden Messeberichten anderer Websites vor (soweit bekannt):
hachen darkpact
Ludoversum
NEU: Pöppelhelden
Spiele-Akademie
Huhni-Fotos bei Twitter:
Jens Tielke
Matthias Nagy
Susanne Heiss

Donnerstag, 31. Oktober 2013

Gern gespielt im Oktober 2013

Was landete am häufigsten auf meinem Spieletisch? Was machte besonders viel Spaß? Und welche alten Schätzchen wurden endlich mal wieder ausgepackt?

RUSSIAN RAILROADS: „RR“ steht in diesem Fall auch für „riesiger Reiz“, in der nächsten Partie eine ganz andere Schiene zu fahren.

ROKOKO: Da ich die Messe-Goodies geschenkt bekommen habe, behaupte ich natürlich: Ätsch, nur mit den Messe-Goodies ist es am allerbesten!

NAUTICUS: Ich hatte gedacht, einen Viermaster und einen Dreimaster zugleich schafft man in einer Viererpartie nicht. Aber: Schafft man.

SPYRIUM: Endlich entdeckt: der Stoff, aus dem die Siegpunkte sind.

LOVE LETTER: Im Grunde sind meine Rezensionen ja auch nichts anderes als Liebesbriefe, bisweilen nur etwas verklausuliert. Folglich halte ich mich bei diesem Spielthema für enorm kompetent.

DOMINION – DIE GILDEN: Muss das sein? Oh ja, das muss sein.