Montag, 10. Mai 2010

Als ich noch kein Spieler war (1): Jag und schlag

Wenn auf dem Pausenhof der Orientierungsstufe 15 Jungen, ein Mädchen und ein Lehrer einem kleinen Ball nachjagen, dann nennt sich dies: Verfügungsstunde! Der pädagogische Nutzwert solcher Unterrichtseinheiten leuchtete selbst dem letzten Klassendepp ein. Denn wenn normalerweise irgendetwas auf dem Schulhof verboten war, dann Fußball spielen. Und während die Referendarin die übrigen Mädchen bespaßen durfte, lernten wir Jungen: Solange unser Lehrer dabei ist, darf man alles!

Auch an der Grundschule gab es die Verfügungsstunde. Hier ließ uns der Klassenlehrer spielen. Der Fundus der Schule war erbärmlich, also brachte er Spiele von zu Hause mit. Eines hieß JAG UND SCHLAG, und während es einem meiner Klassenkameraden beigebracht wurde, sammelte sich eine staunende Schülerschar um den Tisch und schaute gebannt zu. Ab diesem Tag wollte jeder nur noch dieses Spiel spielen! Wieder und wieder. Wir haben uns darum gezankt.

Und weil dummerweise nicht jeden Tag Verfügungsstunde war, bastelte ich mir mein eigenes JAG UND SCHLAG für zu Hause. Die Rückseiten etlicher Zeichenblöcke mussten dran glauben, damit ich massenhaft Pappen zu massenhaft Plättchen verarbeiten konnte. Mit Gestaltung hielt ich mich nicht unnötig auf: Statt Füchse zu malen, was sowieso misslungen wäre, schrieb ich einfach ein "F" auf die Kärtchen. Der Jäger war ein Strichmännchen mit Pfeil. Und weil das Spiel ja so supertoll war, musste ich unbedingt spielverlängernde Elemente einbauen. Das Feld war deshalb statt sieben mal sieben gleich neun mal neun Felder groß und es gab Waldtiere, die der JAG UND SCHLAG-Autor Rudi Hoffmann offenbar vergessen hatte. Wildschweine zum Beispiel, die in meinem Spiel genauso wie Holzfäller Bäume aus dem Weg räumen konnten.

Anfang der 90er, also noch vor der Wiederveröffentlichung als HALALI und auch noch vor Ebay, kam ich auf die Idee, bei meiner alten Schule nachzufragen, ob sie das Spiel noch hätten. Und ob sie es mir für private Verfügungsstunden überlassen könnten. Tatsächlich begab sich die Rektorin höchstpersönlich auf die Suche und grub JAG UND SCHLAG in irgendeiner Abstellkammer aus. Doch das Spiel war hinüber: die Schachtel zerfleddert, die Teile unvollständig, die Bilder abgescheuert. Generationen von Kindern hatten JAG UND SCHLAG kaputtgeliebt.

So sah JAG UND SCHLAG aus: http://www.boardgamegeek.com/image/148912/tally-ho

3 Kommentare:

Andreas und Björn Kalies hat gesagt…

Also ich bin auf eine Integrierte Gesamtschule gegangen und da gab es für die Mittagspause von 70min immer Tischtennisplatten, ne Disco, ne Teestube und eine Brettspielecke mit einer ganzen Reihe von Spielen. Da hab ich mich nur ganz selten hin verirrt und an das einzige Spiel, an was ich mich erinnern kann, war Stratego. Hab ich immer wieder gespielt, obwohl ich es eigentlich nicht mag... muss wohl schon leidendsfähig gewesen sein damals.
Da hab ich lieber die Spiele aus unserer Stadtbibliothek gespielt - Slotter, Heimlich und Co und sowas :-)

Schöne neue Reihe - man schwelgt automatisch mit in die eigene Spielegeschichte!

Udo Bartsch hat gesagt…

Stratego? - Kommt noch. Teil 5.

Christof Tisch hat gesagt…

Ich habe mir auch ein Jag und Schlag nachgebaut, allerdings erst mit 20, weil ich das bei Bekannten gesehen hatte. Und im Gegensatz zu dir habe ich die Figuren natürlich gezeichnet. Aber man sieht ja dass du auch jetzt noch mehr der Buchstaben-Mensch bist.

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